Touratech Experience

Es nicht zu versuchen, ist keine Option.

 

Es gibt Fahrer, die wollen es einfach wissen. Die kommen immer wieder dahin, aus Schweden, Norwegen, aus anderen Ländern, um diesen einen supersteilen, gerölligen, zerfurchten, sperrigen Berg zu bezwingen. Steijer’s Hill. Algarve Offroad.

Ein kurzer Weg führt runter zu einer harmlos dahindümpelnden Wasserdurchfahrt, die ist nicht breit. Aber dann doch tief, mit steilen Uferböschungen, schlammig, und am Grund garniert mit großen, rutschigen Steinen. Zum Anlaufnehmen taugt die Anfahrt zur Auffahrt also schon mal nicht. Kaum ist das Hinterrad aus dem Wasser, wendet sich ansatzlos der steile Anstieg auch noch nach rechts. Steijer’s Hill. Legendär. Die Advanced Group stellt sich in einer Reihe hintereinander auf, jeder will es schaffen. Oder in Ehren scheitern. Es nicht zu versuchen, ist keine Option.

Wer hochkommt, fährt auf der Advanced Route auf dem Gipfel weiter. Wen der Berg abblitzen lässt, der wuchtet die Maschine wieder runter und fährt dieselbe Strecke wie wir, die Basic Gruppe. Nur schneller.

 

Wir haben es lustig in der Basic Gruppe, wir fahren unser Tempo, pflanzen die R1250GS und GSA regelmäßig in Geröll und Gestrüpp, wir fluchen, kämpfen, schwitzen, ich komme schon mal an mein Limit. Aber auch für uns gilt an den insgesamt sechs Fahrtagen von Algarve Offroad: Es nicht zu versuchen, ist keine Option, und häufig ist das Limit der Kopf.

Algarve Offroad ist seit vielen Jahren auf dem Menü von Touratech Experience, von CEO David Johansson und seinem exzellenten Team. Touratech Experience ist der Tour-, Trainings- und Event-Ableger von Touratech Nordics, kein Wunder also stammen 16 der 17 Fahrer in dieser Woche aus Schweden und Norwegen. Und dann noch ich, Nummer 17, aus dem Mittleren Schwarzwald. Mir wird alles in Englisch serviert, so bin ich bestens informiert. Außer, wenn ich grad nicht aufpasse, weil Tomas von der Advanced Group mir wieder hinter vorgehaltener Hand einen seiner Wahnsinns-Witze erzählt.

Tag eins – die Flotte der BMW R1250GS und GSA steht wie mit dem Lineal vermessen aufgereiht einladend vor dem Resort. Nach Begrüßung, Vorstellung und etwas Technik geht es auf eine wunderbar sonnige, kurvige Asphalttour mit kleinen Offroad-Einsprenklern. Ein guter Plan, die Schultern und den verlängerten Rücken zu lockern. Wir sind ein bisschen eingerostet nach fast drei Monaten Winter.

Tag zwei – Training im Offroadgelände in Silves, ein großes Terrain mit Bachläufen, Wasserbecken, Schlamm, Matsch, Geröll, ruppig felsigem Grund, losem Schilfgras, Wiesen, Wegen, Schotterflächen. Für mich als mittelschmächtige Anfängerin ist das nicht bloß ungewohnt, es ist mir wirklich gar nicht geheuer. Aber es nicht zu versuchen, ist keine Option, und so übe ich Balance – und das Motorrad möglichst wenig zu stören, wenn ich hinter den andern her die große Runde rumple. Dazwischen immer wieder Übungseinheiten mit den Trainern. Logisch legt man sich hin. Irgendjemand hilft mit, das Motorrad wieder auf die Räder zu hieven. Kleine Erinnerung an mich selbst fürs nächste Mal: Laufschuhe, Springseil und andere Sportgerätschaften im Gepäck sind überflüssig. Am Spätnachmittag verschwitzt und geschafft zurück im Resort, zählt nur eins: ein kühles Bier, schnell.

Tage drei und vier und fünf und sechs: fahren und fahren und fahren! Jeden wunderbaren Höhenweg in der Region, jede verflixt steile Abfahrt, zerfurchte Auffahrt und breite Genießerpiste, alles, was das Offroadherz begehrt – ob es nun das leicht aufgeregte Herz des Beginners ist, oder das kampflustige Herz des robusten Offroadexperten auf Steijers steinigen Spuren. Die Guides führen die Gruppen, kümmern sich, kennen sich aus und haben als ausgebildete Instruktoren die Kniffe und persönlichen Tipps parat, die jeden auch unterwegs ein Stück weiterbringen. Learning by riding. Für mich funktioniert das total gut.

Unsere Basic Group fährt häufig dieselbe Strecke wie die flotten Jungs, aber wir bewegen uns langsamer und vorsichtiger. Und während die anderen dann schon mal rechts hoch preschen oder links runter pfeifen und sich die komplizierten Tracks geben, bleiben wir auf der Hauptroute, konsequent mit allen Hochs und Tiefs bis zur nächsten Kaffeepause oder zum Lunch. Zu den Pausen an reizvollen Aussichtsplätzen, Flussbiegungen (natürlich mit vorheriger Passage) oder Windmühlen finden sich alle ein, man plaudert und lacht und döst in der Sonne, und das Begleitfahrzeug, ein amtlich ausgestatteter Offroad Pickup, steckt neben Ersatzteilen vor allem voller Leckereien.

Nach sechs intensiven, witzigen, anstrengenden Tagen bin ich richtig froh, dass ich Davids nachdrücklicher Aufforderung „You MUST come“ jetzt endlich gefolgt bin. Er hatte absolut Recht.

Als einzige Frau in einer Gruppe (um das hier kurz anzusprechen), ist man schnell mal die Exotin. Hier nicht, es hat einfach gar keinen negativen Unterschied gemacht. Man hilft sich grundsätzlich gegenseitig, und jede/r wird ernst genommen. Das ist Teil des Konzepts. Dass ich kein Schwedisch spreche, war unerheblich. Englisch ist ganz selbstverständlich, egal ob im Training, in Gesprächen oder beim Witzemachen. Ich hab schon lange nicht mehr so sehr gelacht! Die Jungs versicherten mir, mit den Wörtern fika = Kaffeepause (gerne mehrfach täglich, mit Keksen) und öl = Bier (ohne Kekse) hätte ich sowieso 70% des wichtigen Schwedisch-Vokabulars schon drauf.

Noch kurz zu Steijer’s Hill anfangs: Natürlich benennt man in Portugal selbst wirklich beeindruckende Steilauffahrten nicht nach einem hartnäckigen schwedischen Motorradfahrer. Das Gelände heißt offiziell völlig anders. Aber unter den Algarve Offroad Teilnehmern spricht sich die kleine Legende von Steijer meist noch vor der allerersten Ausfahrt herum. Und die Spannung steigt.

Wer mehr wissen möchte: https://touratechexperience.com/en/adventuretours/algarve-offroad/